Mittwoch, 18. September 2013

Geist in der Maschine, Geist in der Mühle

Der Geist von Piet Mondrian
lebt und arbeitet in meinem Laptop.
Mit Schrecken stellte ich am Montag fest, dass der Laptop ein kreatives Eigenleben zu führen scheint: Er produziert jetzt grau-schwarze Balken, die einem Mondrian zur Ehre gereicht hätten. Nur mit einer punktgenauen Rückenmassage lässt er sich vorübergehend zu Dienst nach Vorschrift überreden!
Wer sponsert mir einen neuen?
War am Montag beim Computernotdienst in Bergedorf, doch der Computerdoktor weilt ohne Vertretung auf Urlaub. Seine netten Kollegen beruhigten mich mit der Aussicht auf eine kostspielige Reparatur, für die auch Teile umständlich zu bestellen wären - ich probiere es daher weiterhin mit Reflexzonenmassage, Voodoo und homöopathischen Klapsen - mit erstaunlichem Erfolg. Dass nun auch das Internet lahmt, macht die Schloss-Schreiberei noch einen Deut herausfordernder.

Statt zu jammern ging ich lieber feiern. Ella hatte Geburtstag und lud zu vegetarischer Pizza und gutem Wein. Mein Fahrrad durfte auch gleich dort übernachten, denn ihre Freundin Fee führte mich nach Hause. Ihr Navi scheint ebenso kreativ zu sein wie mein Laptop und hatte offensichtlich die Idee, eine Fahrtroute in Form eines Wollknäuels zu gestalten. Oder es suchte die Route nach anderen Parametern aus, die mir nicht nachvollziehbar waren (mögliche Varianten: Straßen dem Alphabet nach auszuwählen oder im Zweifelsfall immer die engere zuerst o.ä.) Als Ortsfremde wagte ich Fees Navi nicht zu widersprechen, obwohl ich ganz anders gefahren wäre. Heimgekommen bin ich jedenfalls. 

Der gestrige Tag begann also mit einem Fußmarsch zur Bergedorfer Mühle, wo ich mich spontan in eine Kindergruppe integrierte und deren Führung mitmachte. Bruno Kluß zeigte uns das Innere der Mühle und erklärte ihre Funktionsweise. 

Die Kinder durften auch selbst Mehl mahlen, ich hielt mich dezent im Hintergrund, um mich nicht zu blamieren und staubig zu machen. In Kindergruppen lassen sich generell drei Typen ausmachen:
a) Brave, die zuhören und mitgehen
b) Schlimme, die herumblödeln und stören
c) Interessierte und/ oder Ehrgeizige, die Fragen stellen, beantworten und die Vortragenden gegebenenfalls auch korrigieren. Ist sicher ein nettes Gefühl, sich als pensionierter Techniker vor einer ganzen Klasse samt knackigen jungen Lehrerinnen von einer 7-Jährigen "ausbessern" zu lassen und dann keine Zeit mehr bleibt, angemessen zu reagieren...

Ein Mädchen namens Amelia fing an, mit mir Konversation zu machen:
"Und welche Sprache sprichst du?" - "Äh, auch Deutsch, so wie du." Das ließ sie gelten, nachdem ich den Vergleich zwischen "ihrer" Sprache und Bayrisch gebracht hatte, das ja auch eine Art von Deutsch sei, wie ich behauptete. Ich erklärte dann Amelia, sie hieße wie eine berühmte Pilotin, das hatte ihr offenbar noch niemand gesagt, denn sie sah mich so an, wie man eben in diesem Alter oberlehrerinnenhafte fremde Tanten ansieht, die sich ungefragt in dein Leben einmischen. (So wie ich damals, als Heiligerdreikönig mit schwarzer Schminke angetan, die von uns besuchte alte Schauspielerin ansah, die mir einreden wollte, zum Abschminken müsse man Schweineschmalz verwenden. Ich hab das nie beherzigt, es mir aber bis heute gemerkt).
Kein Holzkopf: Der Mühlengeist

Als Amelia samt Klasse weg war, nahm mich Herr Kluß beiseite und sagte: "Sie sind doch auf der Suche nach Geistern? Wir haben auch einen hier." Das fand ich sehr spannend, denn von einem Geist in der Mühle hatte mir noch niemand erzählt. "Der war auch noch nie in der Zeitung!", wusste Herr Kluß.
Dann zeigte er mir den rätselhaft lächelnden Kopf eines Herrn, nicht sehr professionell aus einem Ziegelstein gehauen. Der Kopf war, so Herr Kluß, bei Bauarbeiten auf dem Gelände in den 1950er Jahren gefunden worden und ist seither, "Mühlengeist" genannt, das Maskottchen der Mühle. Sein Urheber ist unbekannt, Herr Kluß vermutet, es war einer der Müller, der sich bei Flaute eine Beschäftigung gesucht hatte.

Ich finde, der Mühlengeist hat etwas von Mona Lisa.

Besonders familiär gestaltete sich meine gestrige Lesung im Soltau-Zimmer: Ich kannte fast alle Anwesenden, nicht nur namentlich, sondern ich war auch schon bei der Hälfte der Leute zuhause. Aufregend war es trotzdem. Nach der Lesung war ich in Feierlaune: Ella, Huug, Matthias und ich gingen Biertrinken.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Liebe Schloss-Schreiberin,
am Dienstag wollten wir uns der
familieren Lesung anschliesen.
Da meine Frau gehbehindert konnten
wir die Treppen nicht meistern.
Bergedorf und inbesondere das Billebad sind scheinbar bisher nicht optimal gelaufen.
Herzliche Grüße von dem der möglicherweise am 15.5.1955 neben
Tante Mitzi im Belvedere gestanden
ist